Waldgeschenke
Waldgeschenke
(moderne Siedländische Geschichte, OT geschrieben von Martin Lerchner)
Hörtet Ihr das?, fragte der Sohn seinen Vater, als sie durch den Regen genässten Wald im Klarbachtal wanderten. Aus der Richtung einer Weide am Bach war ein Rascheln und leises, helles Lachen zu hören. Er zuckte mit den Schultern und wollte weitergehen. „Lass uns nachschauen…“. Der Sohn zog seinen Vater näher Richtung Bach in den schummrigen Schatten jener alten Weide. Sie schauten sich um, fanden nichts, hörten nichts. Bis…. Ein Schatten, ein Rascheln. Etwas entfernte sich von Ihnen. Was war das? Sollte doch Wahrheit in den Geschichten sein die der Vater in seiner Kindheit hörte? Waldbewohnern die hier vor ihnen gelebt haben sollen. Gibt es sie noch? Sie schauten genauer nach zwischen den Wurzeln der Weide blitzte etwas auf. Da fanden Sie, eingeschlagen in Tuch zart wie Spinnweben, ein paar glänzende Steine sowie wenige kleine Flaschen. „Was ist das?“ kam es aus dem Munde des Sohnes der interessiert die glitzernden Steine betrachtete. Der Vater, ebenfalls neugierig geworden, entkorkte eine der Flaschen. Sie hockten sich an den Stamm und rochen am Inhalt. Ratlos probierten sie einen Schluck. Süß mit einem Geschmack nach Waldbeeren, aber gleichzeitig auch bitter und salzig. Auf die fragenden Blicke des Sohns erzählte der Vater ihm die Geschichte der Waldgeschenke aus dem Klarbachtal wie er sie von seiner Mutter erzählte bekommen hatte.
Schon vor dem Fürstentum gab es Siedlungen auf Siedland. Überreste von ihnen finden wir in wenigen Steintafeln und den Steinköpfen an manch heiligem Ort. Die Erbauer hat niemand jemals gesehen. Heute hört man nur hin und wieder ein Rascheln im Wald an einem windstillen Tag, sieht ein Glitzern oder einen Schatten an sich vorbeihuschen und spürt, dass diese Wälder noch manches Geheimnis beherbergen. Die Bewohner der Wälder meiden den Kontakt mit Menschen, scheinen aber Interesse an ihnen und ihren Erzeugnissen zu haben. Selten, so erzählt die Geschichte, findet man versteckt im Wald Ihre Gaben. Der von ihnen gemischte Trank wärmt den Körper an kalten Tagen, erfrischt den müden Geist und ist in der Lage manch Wunde zu schließen. Die Steine klären den Geist oder, verschenkt an die Liebste, erwärmen ihr Herz. Es ist Brauch etwas an der Fundstelle zu hinterlassen. Sei es Werkzeug, Seil, Nägel oder Kerzen. Etwas was man dabei hat und als Tausch dienen kann. Wehe demjenigen der sich diese Gaben ohne eine Gegenleistung nimmt. Sie finden einen und suchen ihn oder sie heim. Stellen das Haus auf den Kopf, lassen das Vieh frei oder verwüsten den Garten. Eine neugierige Magd die ihnen versuchte aufzulauern und nachzustellen fand man eines Tages nackt in einer Baumkrone sitzend. In den letzten Jahren hatte man immer weniger von ihnen oder ihren Gaben gesehen oder gehört. Sie gerieten in Vergessenheit und die Geschichte der Geschenke aus dem Wald wurde zu einer Gute-Nacht-Geschichte für Kinder.
„Dann müssen wir ihnen etwas da lassen“ meinte der Sohn. Kramte in seinem Beutel und nahm ein Stück Seil und einen rundgewaschenen Flußkiesel, den er mit seinen Freunden über den Bach springen lassen wollte, heraus und legte beides in das Versteck nachdem er einen der glänzenden Steine an sich genommen hatte. Der Vater legte eine Handvoll Hufnägel dazu, packte die geöffnete Flasche in seinen Tasche und gemeinsam gingen sie durch den wieder einsetzenden Regen weiter nach Klarbach.